Geschichte und Gegenwart verbinden

Dr. Frank Matthias Kammel, seit Sommer 2018 neuer Generaldirektor des Bayerischen Nationalmuseums, positioniert sein Haus 

im Hier und Jetzt/ Von Heiko Klaas & Nicole Büsing


Links: Außenansicht des Bayerischen Nationalmuseums in München

Rechts: Blick in die Schausammlung


Skulpturen des Mittelalters und der Neuzeit, daneben Gemälde, Möbel, Waffen, Porzellane, Fayencen, Musikinstrumente, Tapisserien, Meisterwerke der Gold- und Silberschmiedekunst, Elfenbeinschnitzereien, Kostüme, Stadtmodelle, Spiele oder Majoliken. Zudem volkskundliche Bestände, unter denen insbesondere die weltberühmte Krippensammlung mit 60 figurenreichen Exponaten des 18. und 19. Jahrhunderts aus Oberbayern, Tirol, aber auch Neapel und Sizilien hervorsticht: Das Bayerische Nationalmuseum in der Münchner Prinzregentenstraße gehört auch im internationalen Vergleich zu den größten Museen, in welchen sowohl Werke der Bildenden Kunst und der Angewandten Kunst sowie kulturgeschichtlich wertvolle Exponate gesammelt, erforscht und ausgestellt werden. Von der Kunst der Spätantike über das Hochmittelalter, die Gotik, die Renaissance, das Barock, das Rokoko, den Klassizismus, den Historismus und den Jugendstil sind hier alle prägenden europäischen Stilepochen vertreten. Trotz der regionalen Verwurzelung, die sich im Namen des Hauses ausdrückt, wagt die Sammlung immer wieder den vergleichenden Blick in andere deutsche Regionen und das benachbarte Ausland.

Erste Pläne zur Gründung des Bayerischen Nationalmuseums wurden bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts von König Maximilian II. höchstpersönlich entwickelt. Offenbar inspiriert durch die Gründung des Germanischen Nationalmuseums im fränkischen Nürnberg 1852, gab der Monarch aus dem Hause der Wittelsbacher seinem Archivdirektor den Auftrag, Pläne für ein eigenes Museum in München zu entwickeln. Gebaut wurde ab 1859. Im Jahre 1867, nach achtjähriger Bauzeit also, wurde auf dem Forum der Maximilianstraße der erste Museumsbau eröffnet, der sich jedoch bereits nach wenigen Jahrzehnten als zu klein erwies. Bereits seit 1900 residiert das Museum daher an seinem heutigen Standort unweit der berühmten Eisbachwelle und in unmittelbarer Nachbarschaft zum Englischen Garten und dem Haus der Kunst. Doch auch hier erfolgten zunächst 1905/1906, dann 1937 und schließlich 1999 weitere An- und Ausbaumaßnahmen. Heute verfügt das Museum über rund 13.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche auf drei Etagen.

Den Grundstock der Sammlung bildet dabei immer noch der umfangreiche Kunstbesitz der Wittelsbacher. In einer in den Grundstein des ersten Museumsbaus eingelassenen Urkunde wurde die Institution dem damaligen Zeitgeist entsprechend als „Anstalt zur Aufbewahrung der interessantesten und vaterländischen Denkmäler und sonstigen Überreste vergangener Zeiten“ bezeichnet. Diese sollten „der Vergessenheit entrissen werden“. Ferner sollte alles, „was zur Charakterisierung der vergangenen Jahrhunderte ... in Bezug auf Kunst und Gewerbe dient“ in die Sammlung des neuen Museums eingehen.

Dabei war das Bayerische Nationalmuseum keinesfalls der erste Museumsbau der Wittelsbacher Dynastie. Die bis heute existierende Glyptothek sowie die beiden Pinakotheken gehen noch auf die Initiative von König Ludwig I., dem Vater Maximilians II., zurück. Der Anspruch, der mit dem Nationalmuseum verbunden war, nämlich nicht nur zur Erbauung der höheren Stände, sondern vielmehr pädagogisch und inspirierend für breitere Bevölkerungsschichten, etwa auch Angehörige der Handwerksberufe, zu wirken, war jedoch ein ganz neuer.

Seit dem 1. Juli 2018 ist Dr. Frank Matthias Kammel, Jahrgang 1962, neuer Generaldirektor des Bayerischen Nationalmuseums. Den Zuschauern der Kultsendung „Kunst + Krempel“ im Dritten Programm des Bayerischen Fernsehens ist der eloquente Kunsthistoriker als Experte für Religiöse Volkskunst und Skulptur bekannt. Frank Matthias Kammel hat 1987 sein Studium der Kunstwissenschaft, Klassischen Archäologie und Kulturtheorie/Ästhetik an der Berliner Humboldt-Universität abgeschlossen. Nach Stationen am Berliner Bode-Museum und an den Staatlichen Museen zu Berlin Preußischer Kulturbesitz ging er 1995 als Leiter der Skulpturensammlung ans Germanische Nationalmuseum in Nürnberg. Zuletzt war er dessen stellvertretender Generaldirektor. Zu den Forschungsschwerpunkten des tatendurstigen Neu-Münchners gehören die Bildhauerkunst des Spätmittelalters sowie die Skulptur des späten 18. Jahrhunderts.

Frank Matthias Kammel weiß um die Qualitäten seines Hauses und der dazugehörigen Zweigmuseen. In ersten Interviews direkt nach seinem Amtsantritt benannte er aber auch die Defizite. So sieht er teilweise deutlichen Handlungsbedarf bei der baulichen und technischen Ausstattung einzelner Häuser. Dass er darüberhinaus, was Besucherfreundlichkeit und Außenwirkung angeht, bereits einiges bewegt hat und für die zukünftige Ausrichtung des Bayerischen Nationalmuseums noch weitere spannende Pläne bereithält, verriet er der Zeitkunst jetzt in einem Exklusiv-Interview (siehe Seite 11).

Mit der neuen Aufgabe fällt ihm auch die Verantwortung für neun Zweigmuseen an acht Standorten im ganzen Bundesland Bayern zu. Darunter befinden sich neben kleineren Häusern auch besondere Perlen wie etwa die Fürstliche Schatzkammer Thurn und Taxis Regensburg, die 1993 vom Bayerischen Nationalmuseum erworben wurde. Im Marstall des Schlosses Emmeran sind feine Porzellane, erlesene Möbelstücke, Jagdwaffen, Meisterwerke der Gold- und Silberschmiedekunst und vieles mehr ausgestellt, die dem Betrachter profunde Einblicke in das einstige Alltagsleben einer der damals wichtigsten Familien des europäischen Hochadels vermitteln. Liebhaber von Kuriositäten werden hingegen fasziniert sein von den vielfältigen Beständen der Kunst- und Wunderkammer Burg Trausnitz in Landshut. Seltsam geformte Meisterwerke des Kunsthandwerks der Renaissance, exotische Tierpräparate, seltene Mineralien, Korallen und wissenschaftliche Instrumente zum Erfassen der Welt um 1600 versetzen den Betrachter hier in Staunen.

Schließlich sei noch die Meißener Porzellan-Sammlung Stiftung Ernst Schneider im Schloß Lustheim in Oberschleißheim, unmittelbar vor den Toren Münchens gelegen, besonders hervorgehoben. Der Industrielle Dr. Ernst Schneider (1900-1977) stiftete die weltweit zweitgrößte Sammlung exklusiven Meißener Porzellans im Jahre 1968 dem Bayerischen Nationalmuseum. Seit 1971 sind die prachtvollen Geschirre, Chinoiserien und Tierfiguren auf Schloß Lustheim für die Öffentlichkeit zugänglich.

Doch zurück ins Haupthaus in München. Ab dem 28. November wird dort die garantiert sehenswerte Sonderausstellung „Treue Freunde. Hunde und Menschen“ zu sehen sein. Frank Matthias Kammel möchte mit dieser durchaus publikumsnah angelegten Schau, die mehr als 200 teils kuriose Objekte versammelt, die das besondere Verhältnis zwischen Hund und Mensch auf unterhaltende Art und Weise illustrieren, sein Haus auch für neue, breitere Besucherschichten öffnen. Vielleicht ein Prototyp für die zukünftige Strategie seines Hauses? Weitere Details dazu verriet er uns im Interview.


Treue Freunde. 

Hunde und Menschen

28.11. bis 19.4.20

 

Bayerisches Nationalmuseum

Prinzregentenstraße 3

80538 München

Di/Mi/Fr-So 10-17 h, Do 10-20 h

www.bayerisches-nationalmuseum.de